Morphosyntax und Grammatik: umfassender Leitfaden für Sprachtherapeuten
Die Morphosyntax bezeichnet die Gesamtheit der Regeln, die die Struktur von Sätzen (Syntax) und die Form von Wörtern (Morphologie) regeln. Morphosyntaktische Störungen sind häufig bei Kindern mit Entwicklungsstörungen der Sprache, und ihre Rehabilitation stellt einen wichtigen Teil der sprachtherapeutischen Arbeit dar. Dieser Leitfaden präsentiert die normale Entwicklung, Warnzeichen und Interventionsstrategien.
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Satzkarten, grammatische visuelle Hilfsmittel, Übungen zur syntaktischen Konstruktion
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Definition und Komponenten
Die Morphosyntax umfasst zwei komplementäre Bereiche der Sprache. Die Morphologie betrifft die Form der Wörter: die Übereinstimmungen in Geschlecht und Zahl, die Konjugationen, die Derivationen (Präfixe, Suffixe). Die Syntax betrifft die Wortstellung und die Struktur der Sätze: die Subjekt-Verb-Objekt-Reihenfolge, komplexe Sätze, Nebensätze.
Komponenten der Morphologie
- Flexionsmorphologie: Übereinstimmungen im Geschlecht (klein/kleine), in der Zahl (Katze/Katzen), Konjugationen (isst/essen/ass)
- Derivationsmorphologie: Präfixe (wieder machen, auflösen), Suffixe (Sänger, Sängerin), Wortfamilien
- Grammatische Wörter: Artikel, Pronomen, Präpositionen, Konjunktionen
Komponenten der Syntax
- Wortstellung: kanonische SVO-Struktur im Deutschen
- Einfache Sätze: affirmativ, negativ, interrogativ, imperativ
- Komplexe Sätze: Koordination (und, aber, oder), Subordination (weil, wenn, wer, was)
- Besondere Strukturen: Passiv, Relativsätze, cleft-Sätze
Normale morphosyntaktische Entwicklung
| Alter | Morphosyntaktische Erwerbungen |
|---|---|
| 12-18 Monate | Einzelne Wörter (Holophrase), erste Prädikate |
| 18-24 Monate | Kombinationen von 2 Wörtern ("Papa weg", "noch Kuchen") |
| 2-3 Jahre | Sätze mit 3-4 Wörtern, Artikel (der, ein), erste Pronomen (ich, mir), Negation (nicht), unregelmäßiger Plural |
| 3-4 Jahre | Komplexe Sätze mit "und", "weil", Pronomen er/sie, Übereinstimmung im Geschlecht, Fragen mit Inversion |
| 4-5 Jahre | Relativsätze (die, das), Perfekt, Imperfekt, Konditional |
| 5-6 Jahre | Passivsätze, komplexe Relativsätze, Zeitkongruenz, Futur |
| 6+ Jahre | Verfeinerung und Konsolidierung, seltene Strukturen (Subjunktiv, komplexes Passiv) |
Die Durchschnittliche Satzlänge (DSL) ist ein wichtiger Indikator für die morphosyntaktische Entwicklung. Sie wird in der Anzahl der Morpheme pro Satz berechnet. Eine DSL von 1 entspricht einzelnen Wörtern, eine DSL von 4-5 entspricht elaborierten Sätzen.
Morphosyntaktische Störungen
Morphosyntaktische Störungen äußern sich in Schwierigkeiten beim Aufbau grammatikalisch korrekter Sätze und/oder bei der korrekten Verwendung morphologischer Markierungen. Sie sind besonders häufig und persistent bei der Entwicklungsstörung der Sprache (EDL).
Warnzeichen
- Fehlen von Wortkombinationen nach 24 Monaten
- Sätze mit weniger als 3 Wörtern nach 3 Jahren
- Systematische Auslassung von grammatischen Wörtern (Artikel, Pronomen, Präpositionen)
- Persistente Konjugationsfehler nach 4 Jahren
- Schwierigkeiten mit den Übereinstimmungen in Geschlecht und Zahl nach 5 Jahren
- Fehlen von komplexen Sätzen nach 4-5 Jahren
- Agrammatismus: telegraphischer Stil ("ich will Kuchen")
Häufige Fehlerarten
- Auslassungen: Artikel ("will Bonbon"), Pronomen ("will nicht"), Hilfsverben ("er weg")
- Substitutionen: Geschlecht ("das Haus"), Pronomen ("ihm ist nett" für "er ist nett")
- Surgeneralisierungen: "er hat genommen", "die Pferde"
- Fehler in der Reihenfolge: "warum er ist weggegangen?" → "warum ist weggegangen er?"
- Simplifizierungen: Vermeidung komplexer Strukturen
Bewertung der Morphosyntax
Die morphosyntaktische Bewertung umfasst in der Regel mehrere ergänzende Aspekte:
Standardisierte Werkzeuge
- BILO (Computerisierte Batterie für mündliche Sprache): Verständnis und syntaktische Produktion
- ECOSSE: Verständnis syntaktischer Strukturen
- N-EEL: Tests zur expressiven und rezeptiven Morphosyntax
- EVALO: Korpusanalysen, DSL, syntaktische Vielfalt
Korpusanalysen
Die Analyse einer Stichprobe spontaner Sprache ermöglicht die Berechnung:
- Der DSL (Durchschnittliche Satzlänge)
- Der syntaktischen Vielfalt (verwendete Strukturtypen)
- Der Fehlerquote nach Kategorie
- Der Komplexität der Sätze (Subordinationsindex)
Interventionsstrategien
💡 Allgemeine Prinzipien
- Vom Niveau des Kindes ausgehen: die proximale Entwicklungszone anvisieren
- Bedeutsamer Kontext: authentische Kommunikationssituationen
- Wiederholung und Modellierung: zahlreiche korrekte Modelle bereitstellen
- Visuelle Hilfsmittel: die Struktur des Satzes sichtbar machen
- Fortschritt: vom Einfachen zum Komplexen, vom Häufigen zum Seltenen
Rehabilitationsmethoden
Modellierung und Reformulierung: Der Erwachsene bietet das korrekte Modell an, ohne eine Wiederholung zu verlangen. "Ich will Kuchen" → "Willst du einen Kuchen? Ja, du willst einen Kuchen." Das Kind hört die korrekte Form im Kontext.
Erweiterung: Die Äußerung des Kindes aufgreifen und bereichern. "Papa weg" → "Ja, Papa ist zur Arbeit gegangen." Die Komplexität schrittweise erhöhen.
Visuelle Indizierung: Visuelle Hilfsmittel verwenden, um die Struktur des Satzes darzustellen: farbige Chips, Piktogramme, Diagramme. Hilft, sich der Wortstellung und fehlender Elemente bewusst zu werden.
Lückensätze: Unvollständige Sätze zur Vervollständigung anbieten, die ein spezifisches Element anvisieren (Artikel, Pronomen, konjugiertes Verb, Präposition).
Satzmanipulation: Sätze umformen (affirmativ → negativ, aktiv → passiv, Präsens → Vergangenheit), Elemente hinzufügen, einfache Sätze kombinieren.
Empfohlener Fortschritt
- Einfache Sätze SVO mit häufigen Handlungsverben
- Einführung von Artikeln und Determinanten
- Subjektpronomen (ich, du, er/sie)
- Negation (nicht...)
- Einfache Fragen (wo, was, wer)
- Vergangenheit (Perfekt)
- Koordination (und, aber, oder)
- Subordination (weil, wenn, damit)
- Relativsätze (die, das)
- Komplexe Strukturen (Passiv, Konditional)
Unsere herunterladbaren Morphosyntax-Werkzeuge
🔤 Satzbaukarten
Bilder und Piktogramme zum Aufbau von Sätzen SVO. Mehrere Komplexitätsstufen.
Herunterladen📊 Visuelles syntaktisches Hilfsmittel
Diagramme und Farbcodes zur Visualisierung der Satzstruktur. Subjekt-Verb-Objekt.
Herunterladen📝 Übungsblätter für Übereinstimmungen
Blätter zur Übung der Übereinstimmungen in Geschlecht und Zahl. Progressiv.
HerunterladenHäufig gestellte Fragen
Ja, das ist völlig normal. Konjugationsfehler wie "er hat genommen" (Surgeneralisierung) sind bis zu 4-5 Jahren typisch und zeugen von einem aktiven Lernprozess der Regeln. Das Kind wendet die Regeln an, die es abgeleitet hat, auch wenn sie nicht funktionieren (unregelmäßige Verben). Diese Fehler verschwinden in der Regel spontan.
Nein, die explizite Korrektur ("Nein, so sagt man nicht") ist nicht die effektivste Strategie. Bevorzugen Sie die Reformulierung: Nehmen Sie den Satz des Kindes in korrekter Form auf, ohne es zu bitten, zu wiederholen. "Er hat genommen mein Spielzeug" → "Ah, er hat dein Spielzeug genommen? Das ist ärgerlich." Das Kind hört das korrekte Modell natürlich.
Im Falle der EDL können morphosyntaktische Schwierigkeiten tatsächlich bestehen bleiben, auch wenn sie sich mit Rehabilitation und Entwicklung abschwächen. Im Erwachsenenalter können sie sich durch gelegentliche Fehler im Schriftlichen, Schwierigkeiten mit komplexen Strukturen oder einen einfacheren Stil äußern. Eine frühzeitige und intensive Behandlung verbessert die Prognose erheblich.
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